Lüftung für Wohngebäude

Die Lüftung unserer Wohnungen reguliert unsere Atemluft - und ganz wichtig: trocknet die Raumluft. Bei Sanierungen gilt: Bei Austausch von mehr als 1/3 der Fenster und bei Erneuerung von mehr als 1/3 der Dachfläche ist mit dem Lüftungskonzept gem. DIN 1946-6 zu prüfen, ob die Infiltration zum hygienischen Mindestluftwechsel ausreicht.

Im Gegensatz zu früheren gedanklichen Modellen gibt es heute keine "Fensterlüftung" mehr. Das händische Öffnen und Schließen der Fenster ist heute rein zusätzlich, aber nicht grundsätzlich. Die aktuellen Ansätze gehen von durchgehend geschlossenen Fenstern und Innen- und Außentüren aus. Es gilt der Grundsatz, dass der hygienische Mindestluftwechsel / die Trocknung der Raumluft / die Regulierung der Atemluft unabhängig von den Bewohnern funktionieren muss. Damit ist die Zuständigkeit dieser Thematik eindeutig der Planung und dem Bau eines Gebäudes zugeordnet.

Einige Begriffserklärungen:

In- und Exfiltration: Die Gebäudehülle ist nie ganz dicht. Die Druckdifferenzen aus atmosphärischen Unterschieden und zum Luftdruck im Gebäudeinneren bewirken so einen unbeabsichtigten und unkontrollierten Luftwechsel (meist zusammenfassend als nur Infiltration bezeichnet).

Freie Lüftung: Ist der Luftwechsel im Gebäude mit unabsichtlichen Anteilen (Infiltration) und absichtlichen Anteilen, wie z.B. die Anordnung von Falzlüftern in den Fenstern.

Fensterfalzlüfter: Ist eine bewusst geschaffene und berechnete Öffnung im Fensterfalz, bestehend aus Klappen- und Dichtungselementen. Die durchströmende Luft nutz die Materialwärme des Fensters zur Vorwämung. Eine federbelastete Klappe schützt vor Zugerscheinungen bei starken Windstößen.

AUL: Außenluft von außen, ZUL: Zuluft in den Raum, ABL: Abluft aus dem Raum, FOL: Fortluft nach außen

WRG: Wärmerückgewinnung, überträgt die Wärme eines Luftstromes an einen anderen ohne Kontakt/Vermischung.

Bypass: technische Umgehung der Wärmerückgewinnung im Sommer zur Nachtluftkühlung (ausschließlich Zentrallüftung).

Aus der Vielfalt der Möglichkeit habe ich vier wichtige Fälle beschrieben:

Fall 1: Freie Lüftung ohne lüftungstechnische Maßnahmen

Kann problematisch werden, wenn eine alte, schlecht gedämmte Gebäudesaubstanz neue Fenster / neues Dach bekommt, dann entsteht die kritische Kombination aus Überfeuchtung mangels Luftwechsel und niedrigen Temperaturen auf den Wandinnenflächen mit Kondensatbildung und deren Konsequenzen (Schimmel, Materialablösung, Gipsfäule, usw.)

Fall 2: Freie Lüftung mit Fensterfalzlüfter

Typischer Einsatz: Nachrüstung bei bestehenden Schimmelproblemen

Hier wird rund um die Uhr mit winzigen Luftmengen ein kontrollierter Luftwechsel erzwungen. Das System nutz die bestehenden atmosphärischen Druckunterschiede.

+ Montage ausschließlich an den Fenstern,
+ Nachrüstung grundsätzlich möglich, bei Kunststofffenstern sehr einfach
+ Benötigt keinerlei Hilfsenergie, Verkabelung, o.ä.
+ Geringe Kosten
+ Keine zusätzlich Geräusche aus z.B. Ventilatoren
+ Kombination mit Abluftventilator im fensterlosen Bad möglich, oft sinnvoll

- Bei Fenstern als Holz/Alu-Kombi problematisch wg. Kondensatbildung
- Bei Nachrüstung an Holzfenstern i.d.R. Fräsarbeiten erforderlich
- Keine Wärmerückgewinnung
- Akustische Schwächung der Fenster


Fall 3: Mechanische Lüftung zentral mit Wärmerückgewinnung

Typischer Einsatz: im Neubau
Voraussetzung: Hohe Dichtheit der Gebäudehülle

+ Höchster Grad der Wärmerückgewinnung
+ optionaler Erdwärmetauscher für Vorwärmung im Winter
+ dto. Vorkühlung im Sommer
+ mehrstufige Filterung, wichtig für Pollenallergiker
+ im Vergl. zur dez. Variante extrem geringe Betriebsgeräusche
+ hohe Luftmengen möglich
+ im Sommer Gebäudekühlung mit Nutzung der kühlen Nachtluft
+ i.d.R. Smarthomefähig

- Platzbedarf für Zentralgerät
- hoher Montageaufwand für Lüftungsleitungen
- i.d.R. problematisch als Nachrüstung
- Wartungsaufwand, mind. Filterwechsel
- anspruchsvolle Fachplanung erforderlich

Fall 4: Mechanische Lüftung dezentral mit Wärmerückgewinnung

Variante 1: jedes Einzelgerät arbeitet autark und wechselt alle ca. 30 sek. die Strömungsrichtung für die Auf-/Entladung der WRG-Keramik
Variante 2: mehrere Einzelgeräte kommunizieren elektrisch und bilden eine Funktionsgruppe

+ Keine Lüftungsleitungen
+ Wärmerückgewinnung
+ i.d.R. Smarthomefähig

- hohe Anzahl an Kernbohrung im Haus
- im Vergl. zur zentr. Variante ggf. störende Betriebsgeräusche
- Wartungsaufwand, Filterwechsel und Keramikreinigung
- hoher Verkabelungsaufwand
- hohe Anzahl sichtbarer Elemente innen und außen
- keine Vorwärmung, -kühlung der Außenluft möglich
- System wg. geringen Luftmengen nicht für alle Fälle einsetzbar
- Keine Nachtluftkühlung im Sommer möglich (kein Bypass)